Anja Zierath ist gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin, hat viele Jahre in einer Apotheke gearbeitet und engagiert sich für berufspolitische Interessen als Bundesvorsitzende des BVpta. Sie ist seit 2010 als freiberufliche Schulungsreferentin für Arzneimittel und Medizinprodukte selbstständig.
Irgendwie war ich seit Kindheitstagen fasziniert von der “Apothekenwelt”. Nach ersten Erfahrungen während des Abiturs, als ich einen Aushilfsjob als Schülerin in einer Apotheke angenommen hatte, war klar, dass ich in diesem Berufsfeld eine Ausbildung machen möchte. Ich liebe die Vielfältigkeit und Abwechslung in diesem Beruf, von Labor bis Rezeptur, aber vor allem die Beratung der Kunden zu Arzneimitteln, Gesundheitsfragen und Prävention ist äußerst spannend für mich und hat mir stets Freude bereitet.
Heute bin ich freiberufliche Schulungsreferentin für Arzneimittel und Medizinprodukte und schule pharmazeutisches Personal in den Apotheken zu Gesundheitsthemen und vor allem zum Thema “Kundenkommunikation”. Ich liebe es, Wissen leicht verständlich und fühlbar zu machen. Seit 2010 halte ich zahlreiche Vorträge in Apotheken und gebe Online-Webinare zu unterschiedlichsten Themen. Von Kopfschmerz bis Fußpilz ist eigentlich alles dabei, immer mit dem Ziel vor Augen, meinen Teilnehmer:innen Wissen kurzweilig und humorvoll zu vermitteln und “transportabel” für das Kundengespräch zu machen.
Auch hier gilt “von Kopfschmerz bis Fußpilz” ist eigentlich alles dabei. Zum einen spielen jahreszeitlich bedingt einige Themenfelder eine große Rolle, wie z. B. Allergie und Erkältung und dann gibt es Gesundheitsprobleme, welche ganzjährig ein Thema sind: allen voran Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Verdauungsprobleme aller Art.
Das hat in den letzten Jahren ungemein zugenommen, dass wir Kund:innen in der Apotheke haben, die mit funktionellen Magen-Darm-Beschwerden Hilfe bei uns suchen. Dazu zählen Blähungen und Völlegefühl im Magen, Magenschmerzen, Übelkeit, Sodbrennen und Magenschmerzen, auch ein “nicht saures” Aufstoßen ist möglich, und Schläfrigkeit und Müdigkeit nach schweren Mahlzeiten. Das sind einfach klassische Indikationen, wo die Kunden nicht gleich zum Arzt gehen wollen, sondern erstmal eine Beratung im Selbstmedikationsbereich wünschen.
Verdauungsprobleme sind sehr vielschichtig und selbstverständlich spielt die Ernährung eine sehr große Rolle. Es lässt sich allerdings nicht pauschal beantworten, wie die Ernährung umgestellt werden sollte um Verdauungsprobleme zu vermeiden. Prinzipiell richtet sich das unbedingt nach dem Hauptbeschwerdebild.
Ein kleiner, aber sehr hilfreicher Tipp ist es auf jedenfall lieber mehrere kleine, als 3 große Mahlzeiten zu Essen und ca. 2–3 Stunden vor dem Schlafen gehen nichts mehr zu Essen. Auch eine erhöhte Schlafposition (z.B. durch ein dickeres Kissen) kann so manches Problem schon lindern. Und ganz grundsätzlich ist es sehr hilfreich, sich nach den Empfehlungen der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) zu richten.
Bei Obstipation, also Verstopfung, empfiehlt sich beispielsweise eine Umstellung der Ernährung auf eine ballaststoffreiche Kost. Nach Empfehlungen der DGE sollten am Tag mind. 30g Ballaststoffe (z.b. Vollkornprodukte, Nüsse, Beeren Früchte, Müsli) zugeführt werden, es sollte ausreichend getrunken werden, rund 2 Liter pro Tag und fünf mal am Tag frisches Obst oder Gemüse verzehrt werden. Die enthaltenen Ballaststoffe binden Flüssigkeit und regen die Darmtätigkeit an.
Anders bei einer/m Reizdarmkund:in : Da rate ich beispielsweise zu einer sogenannten “FODMAP-Diät”. FODMAP sind fermentierbare Kohlenhydrate, Zuckeraustauschstoffe, Süßstoffe und Polyole. Patient:innen mit Blähungen sollten darauf achten, keine zusätzlich blähenden Nahrungsmittel zuzuführen. Leichte Blähungen sind völlig normal und gelten als Zeichen einer guten Verdauung. Zum Problem wird es erst dann, wenn die Gasansammlungen als schmerzhaft, unangenehm und übermäßig empfunden werden.
Bilden sich zu viele übermäßig große Gasmengen, regen diese die Nozirezeptoren in der Darmwand an und lösen Schmerzen aus. Unser Bauch ist dann vorgewölbt und fühlt sich gespannt an. Gerade Hülsenfrüchte enthalten viel Raffinose, das ist ein komplexes Kohlenhydrat aus Glukose, Fructose und Galaktose, welches im Verdauungssystem nicht gespalten werden kann. Wenn größere Mengen davon in unseren Dickdarm gelangen, produziert unsere Darmflora daraus Gase und Blähungen sind die Folge. Daher empfiehlt es sich, auf Bohnen, Erbsen und Linsen bei akuten Blähungen zu verzichten.
Bitterstoffe beeinflussen die Verdauung positiv und können auch schweres Essen bekömmlicher machen. Sie regen zum einen unseren Appetit an und fördern den Speichelfluss. Auch die Produktion des Magensaftes und der Gallenflüssigkeit wird erhöht. Letzteres erleichtert wiederum die Fettverdauung. Sie stoppen Heisshungerattacken, unterstützen bei Völlegefühl und Blähungen.
Bitterstoffe helfen bei der Entgiftung und tragen auch zur Entsäuerung bei. Sie unterstützen bei der Senkung eines erhöhten Cholesterinspiegels und können in manchen Fällen sogar unter Umständen die Symptome einer Histaminintoleranz verbessern.
Für mich sind Bitterstoffe eine wichtige Komponente eines jeden ganzheitlichen Therapie- und Präventionsprogrammes. Es sind noch längst nicht alle Wirkungen wissenschaftlich belegt, aber Bitterstoffe sind aus der Pflanzenheilkunde und Erfahrungsmedizin seit Jahrhunderten bekannt und geschätzt.
Sehr häufig ist heutzutage eine gestörte Mikrobiota. Das heißt, dass durch unterschiedlichste Faktoren unser Darmmikrobiom gestört ist und es zu einer Dysbiose im Darm kommt.
Ein großes Problem sind auch die Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Mehr als 20 % der Bevölkerung Deutschlands leiden an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit. Diese kann man in drei Kategorien unterteilen: Nahrungsmittelallergien (z. B. Erdnussallergie), Nahrungsmittelintoleranzen (z. B. Histaminintoleranz, Lactose- oder Fructoseintoleranz) und Autoimmunerkrankungen wie Zöliakie. Allgemein sind leider auch insgesamt viele Erkrankungen (gerade chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa) und auch Arzneimittel selbst für Verdauungsprobleme verantwortlich.
Bei den Arzneimitteln gibt es zahlreiche Wirkstoffe, welche sich negativ auf unsere Verdauung auswirken. Antibiotika, entzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR), Statine (cholesterinsenkende Medikamente), selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Antidepressiva) sind nur einige Beispiele, welche Verdauungsbeschwerden im Allgemeinen verursachen können.
Manchmal fehlt es aber allgemein auch an wichtigen Vitaminen und Spurenelementen im Körper, diese Unterversorgung führt ebenfalls zu funktionellen Magen-Darm Beschwerden. Des Weiteren spielen auch gastrointestinale Hormone eine Rolle, unsere Psyche hat großen Einfluss auf unsere Verdauung (Darm-Hirn-Achse) und natürlich unser Immunsystem.
Süßigkeiten, gesüßte Getränke, salzige Knabbereien und alkoholhaltige Getränke sollte man nur in geringen Mengen genießen. Genügend trinken bleibt das A&O, am Besten natürlich Mineralwasser, aber auch ungesüßten Früchte/Kräutertee. Das hilft nicht nur der Verdauung, sondern auch bei vielen Arzneistoffen, um Nebenwirkungen zu reduzieren oder dass ein Arzneistoff schneller/besser aufgenommen werden kann, aber es hilft auch unserer Haut beispielsweise.
In der Apotheke betrachten wir alles gern ganzheitlich. Regelmäßig und ausreichend körperlich aktiv sein: täglich mindestens 30 Minuten bei mittlerer Intensität. Die meisten unserer Kund:innen in der Apotheke sind multimorbid, haben also gleichzeitig mehrere Krankheiten, da müssen wir in der Beratung gemeinsam einen Weg finden, wie Ernährung und Bewegung in Einklang zu bringen sind.
Schon mehrere kleinere Spaziergänge an der frischen Luft, mal eine Treppe mehr statt den Fahrstuhl zu nehmen oder einen weiter entfernten Parkplatz beim Einkauf in der Apotheke zu suchen, sind meist schon eine einfache Möglichkeit mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren und diese aber auch mit Krankheiten wie z.B. Arthrose unter einen Hut zu bekommen.
Nur wenn es unserem Kopf gut geht, geht es auch unserem Darm gut. Wir sollten also darauf achten, Stress zu vermeiden, uns Pausen und mentale Auszeiten zu gönnen. In unserem stressigen Alltag ist es nicht immer leicht, mal “herunter zu fahren” und wir vergessen schnell uns Entspannung zu gönnen.
Jeder Mensch entspannt auch auf andere Art und Weise, es ist wichtig seine “Wohlfühlzone” zu erkennen und sich aktiv und bewusst die Zeit dafür zu nehmen. Dem einen tut es gut ein heißes Bad zu nehmen, ich beispielsweise liebe ausgedehnte Spaziergänge und die nächste geht gerne joggen oder ins Fitnessstudio. Auch malen, basteln, lesen… Eigentlich ist alles erlaubt, was einen zur Ruhe bringt. Wir müssen nur lernen, uns diese Zeit zu nehmen und uns regelmäßig daran zu erinnern. Statt ständig “To-Do-Listen” zu schreiben, ist es auch sehr hilfreich, mal eine "Not-To-Do-Liste" zu erstellen.
Die Kund_innen kommen häufig mit akuten Problemen zu uns in die Apotheke, gerade was funktionelle Magen-Darm-Beschwerden betrifft, und wollen dann eine schnelle Symptomlinderung. Natürlich haben wir für viele akute Probleme ein Arzneimittel zur Hand, um schnelle Hilfe leisten zu können, es ist aber extrem wichtig, und das gilt natürlich auch für alle anderen Erkrankungen, die Ursachen für die Probleme herauszufinden.
Ich habe daher häufig geraten, auch mal ein Ernährungstagebuch zu führen und das mit großem Erfolg. Denn oftmals kam bei der Frage nach dem “was haben Sie denn gegessen” ein “so wie immer” und erst durch das Ernährungstagebuch kam heraus, dass doch bestimmte Faktoren verantwortlich gewesen waren, welche die Beschwerden verursacht haben. Manchmal sind es nämlich gar nicht nur die Lebensmittel allein.
In ein Ernährungstagebuch sollte man auch alle Alltagssituationen rundherum mit aufschreiben, also z.B. wann habe ich gegessen, hatte ich Stress an dem Tag und habe nur “schnell nebenbei gegessen”, habe ich mich über etwas geärgert und aus “Frust gegessen”, welche Arzneimittel habe ich eingenommen, was und wieviel habe ich getrunken usw.
Das Aufschreiben bewirkt auch, dass wir unser Augenmerk wieder auf uns selbst lenken, tief in uns einfühlen und den Tag Revue passieren lassen. Dann empfehle ich Bitterstoffe in das Leben zu integrieren, auch dies im Tagebuch zu notieren und einmal zu schauen, ob sich die Beschwerden dadurch lindern lassen. Meist treten sie dann nicht mehr so häufig auf oder auch nicht mehr in der gewohnten unangenehmen Stärke.
Die stressige Weihnachtszeit steht bevor und zwischen all dem Geschenke besorgen, Weihnachtsfeiern vorbereiten und Stollen backen dürfen wir uns selbst nicht vergessen. Ich kann nur raten, nehmt euch kleine Auszeiten für euch selbst, esst bewusst und in Ruhe und versucht im wahrsten Sinne des Wortes “auf euren Bauch zu hören”.
Du hast einen stressigen Alltag? Lass uns ein wenig Ruhe schaffen. Hier findest Du weitere interessante Artikel, Videos und Rezepte, die Dir ein Lächeln und mit ein bisschen Glück auch Ruhe in den Tag zaubern können.