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Ganzheitliche Gesundheit: Schulmedizin vs. Naturheilkunde

Ganzheitliche Gesundheit: Schulmedizin vs. Naturheilkunde

Heute sprechen wir mit dem Arzt und Apothekerpärchen Jennifer Griezmann und Felix Aaslepp. Beide Berufe scheinen so unterschiedlich zu sein und haben doch einen gemeinsamen Nenner: Die Gesundheit der Menschen zu verbessern und ein schmerzfreies Leben zu ermöglichen. Jetzt ist natürlich die Frage: Geht das überhaupt, sind Naturheilkunde und Schulmedizin eigentlich vereinbar? Das wollten wir genauer wissen. Im Interview verraten uns die Apothekerin und der Arzt, wie Schulmedizin mit Naturheilkunde gelebt und im Beruf verbunden werden kann und wie physisches Wohlbefinden und psychisches Wohlbefinden im Alltag erreicht werden kann.

Wie kam es, dass ihr euch beide neben der klassischen Schulmedizin in Richtung Naturheilkunde bewegt habt, und was bedeutet Gesundheit für Körper und Seele in diesem Zusammenhang?

Jenny: Ich fange mal an. Ich habe ja Pharmazie studiert und dort hatten wir schon im zweiten Semester das Fach Pflanzenkunde und da haben wir von ganz vielen verschiedenen Pflanzen kleine Proben bekommen und sollten dann zu Hause einfach damit ein wenig experimentieren: gucken, schmecken, riechen, prüfen. 

Später ging es dann weiter mit Mikroskopieren, welchen Nutzen haben Pflanzen für den menschlichen Körper und ich fand das damals schon unheimlich spannend zu sehen, was man aus ganz einfachen Pflanzen wie Pfefferminze oder Kamille für die körperliche Gesundheit tun kann und da hat es Klick gemacht. In der Pharmazie kamen natürlich noch die chemischen Wirkstoffe hinzu und das war der Beginn, mich mehr für ganzheitliche Gesundheit zu interessieren.

Felix: Bei mir war es tatsächlich so, dass dieser Part im Studium extrem kurz ist bzw. auch oft gar nicht behandelt wird. Bei mir kam die ganzheitliche Bedeutung der Naturheilkunde eher auch durch Jenny, die mir das nahe gebracht hat. Was aber sehr interessant war, ist, dass bei Dingen, die du eh nur symptomatisch behandeln kannst, nicht unbedingt Chemie brauchst, sondern auch auf pflanzliche Wirkstoffe zurückgreifen kannst. 

Ich glaube schon, dass man auch mit pflanzlichen Stoffen ein Ungleichgewicht verhindern kann und es einem dadurch nachhaltig natürlich besser geht. Den Vorteil der Phytologie habe ich aber leider erst nach dem Studium gelernt – was auch ein kleiner Kritikpunkt am System ist, da es den Bereich dort kaum im Studium gibt. Und dann lernt man natürlich auch, dass das innere Gleichgewicht gerade durch pflanzliche Wirkstoffe gut hergestellt werden kann.

Jenny: Als Beispiel, wenn die Nase läuft, dann greife ich nicht direkt zum Nasenspray. Man kann auch wunderbar mit ätherischen Ölen arbeiten oder nur Wasser und Salz, um festsitzenden Schleim zu lösen. Die Gefahr ist natürlich relativ groß auch von Nasenspray abhängig zu werden.

Wie ist es generell mit Leuten, die in die Apotheke kommen. Suchen sie direkt pflanzliche Alternativen oder sind viele Menschen doch in einer Unwissenheit über die Vorteile der Naturheilkunde?

Jenny: Es gibt solche und solche Typen, was wirklich sehr spannend ist. Die meisten Patienten in der Apotheke, die Husten oder so haben, die fordern schon eher "ein richtiges Medikament". Wenn ich Präparate anbiete mit Thymian oder Efeu, zu denen es wirklich sehr positive Studien-Unterlagen gibt, wird das oft nicht ernst genommen. Da gibt es viele Leute, die Pflanzenwirkstoffe als Geldverschwendung sehen und nicht daran glauben, dass es wirklich hilft. Ich glaube, es liegt daran, dass viele die Naturheilkunde und die ganzheitliche Gesundheit mit der Homöopathie verwechseln. Dort heißt es ja oft, sie wirkt nicht so richtig beziehungsweise die Steigerung der Lebensenergie ist nicht nachweisbar. Und hier noch einmal ganz klar: Homöopathie ist keine Phytotherapie.

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Dann gibt es aber natürlich auch Leute, die direkt den Wunsch nach pflanzlichen Mitteln äußern und auf Chemie größtenteils verzichten wollen. Im Großen und Ganzen sind die meisten jedoch eher abgeneigt. Deswegen ist es ja gerade so wichtig, dass wir bei Social Media darüber aufklären, dass es nicht immer direkt etwas Chemisches sein muss, da Wirkstoffe, Nährstoffe und positive Effekte auch vor allem in pflanzlichen Präparaten stecken. Pflanzliche Medikamente, die in der Apotheke verkauft werden, wurden ja auch ausgiebig in Studien überprüft, um eben die Wirksamkeit wirklich feststellen zu können.

Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus, Felix? Kommst Du auch in direkten Kontakt mit Naturheilkunde oder Pflanzenmedizin?

Felix: Also ich habe ursprünglich in der Chirurgie gearbeitet und bin weiterhin noch als Notarzt tätig und komme so gut wie gar nicht mit pflanzlichen Präparaten im Alltag in Berührung. Hier steht natürlich die chemische Wirkung im Fokus, die natürlich auch in der Notfallmedizin nicht zu umgehen ist. Ich habe eher gelernt, im privaten Umfeld auf pflanzliche Präparate umzusteigen und diese Freunden, Bekannten, Familie oder auch Nachbarn zu empfehlen.

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Ganzheitliche Gesundheit wird immer "populärer", daher kommt von allen Seiten, was man denn am besten tun kann, um mehr Lebensenergie und ein besseres inneres Gleichgewicht zu bekommen. Bei mir ist das eher dieser Bereich, wo ich in Kontakt mit der Naturheilkunde komme, in meinem Alltag als Arzt eher seltener. Und das ist auch gut so, das hat ja auch seine Existenzberechtigung nebeneinander.

Ist für euch der Spagat im Arbeitsalltag vereinbar? Wie ist ganzheitliche Gesundheit mit beiden Medizinformen vereinbar?

Jenny: Also in der Apotheke ist das auf jeden Fall sehr gut vereinbar. Irgendwann sind natürlich auch die Grenzen in der Selbstmedikation erreicht und dann sollte schon ein Arzt draufschauen oder es sollten stärkere Medikamente verschrieben werden. Aber pflanzliche Präparate kann man nach wie vor auch hier unterstützend nehmen. Das kann man ganz gut miteinander verbinden. Und es gibt wirklich unglaublich viele und gute pflanzliche Präparate, die ich gerne als Erstes empfehle, weil man den Körper damit auch nicht so belastet. Wenn der Körper krank ist und dann auch nur chemische Wirkstoffe "draufhaue", muss der Körper damit auch noch fertig werden, da es eben keine Wirkung ohne Nebenwirkung gibt.

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Pflanzliche Mittel können auch Wechsel- oder Nebenwirkungen haben, aber das ist geringer als bei den chemischen Mitteln. Und viele Menschen nehmen so auch noch viele Tabletten im Alltag ein und da ist das Risiko bei chemischen Mitteln natürlich auch hoch, dass sie nicht vertragen werden. Wenn ich dann bestimmte Medikamente abfrage, bleiben am Ende tatsächlich zu einem Großteil pflanzliche Mittel für die Selbstmedikation übrig, die eben mit anderen Mitteln kombiniert werden können.

Felix: Ich denke ja, das eine schließt das andere auch gar nicht aus. Wenn ich zum Beispiel etwas nehme bei einer Nebenhöhlenentzündung, dann brauche ich auch einfach ein Antibiotikum. Ich kann aber auch erst einmal die Beschwerden lindern und die Heilung vorantreiben, wenn ich zusätzlich mit pflanzlichen Produkten helfe, indem ich zum Beispiel inhaliere. So glaube ich auch, dass chemische Mittel und pflanzliche Mittel nebeneinander existieren können und auch gleichzeitig angewandt werden sollten. Das ist ja auch keine Entweder-oder-Situation, sie können sich ja auch ergänzen.

Was sind denn eurer Meinung nach die Vor- und Nachteile der klassischen Schulmedizin und der Naturheilkunde?

Jenny: Bei der klassischen Pflanzenheilkunde ist einfach der Vorteil, dass der Körper nicht noch zusätzlich mich chemischen Wirkstoffen belastet wird. Mein Prof meinte zum Beispiel "Wenn ihr krank seid, dann seid ihr krank" – ohne Medikamente seid ihr 7 Tage krank und mit eine Woche. Man kann wirklich nur symptomatisch handeln und den Körper in seiner Heilungsphase unterstützen und nicht noch zusätzlich belastet. 

Nachteil ist halt einfach, dass man bei fortgeschrittenen Krankheiten einfach etwas braucht, was stärker wirkt – da ist bei pflanzlichen Medikamenten schnell die Hilfe erschöpft. Sie können bis zu einem gewissen Grad helfen, aber auch dann muss man irgendwann umsteigen, wie zum Beispiel auf ein Antibiotikum. Als Beispiel eine Blasenentzündung: Je nachdem wie fortgeschritten sie ist, kann man dort gut mit Brennnesseltee entgegenwirken. Wenn es jedoch schon blutig ist, dann helfen diese klassischen Präparate einfach nicht mehr.

Jenny: Bei den chemischen Medikamenten ist der Nachteil die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten. Auch Tabletten gegen Sodbrennen können nicht nur die Säure binden, sondern auch andere Medikamente. Da muss man also immer abwägen, wie dringend die Medikamente auch sind. Bitterstoffe können da zum Beispiel wunderbar ergänzen, um einfach die Magensäure, die Gallensäure und auch den Speichelfluss anzuregen. Der Vorteil ist aber natürlich auch, dass sie relativ schnell wirken und es oft einfach keine Alternative gibt.

Felix: Ich glaube einfach, dass es unfassbar wichtig ist, dass beide Bereiche ihre Daseinsberechtigung haben. Grundsätzlich sollte es für Arzt und Patient wirklich sinnvoll sein zu wissen, welche Wirkstoffe wann am meisten Sinn machen und eingesetzt werden sollten. Ganzheitliche Gesundheit kann nur so erreicht werden. Wenn eine Erkrankung eine chemische Therapie erfordert, sollten sich Arzt, Patient und Apotheker aber auch eingestehen, dass diese Behandlung nun indiziert ist. So kann rechtzeitig die richtige Therapie eingeleitet werden, sodass die Gesundheit auch nur davon profitieren kann.

Welchen Tipp würdet ihr jemandem geben, der a) bei der Phytologie sehr kritisch ist und b) von chemischen Behandlungen komplett absieht?

Jenny: Das ist eine ganz interessante Frage. Es kommt, glaube ich, ein wenig darauf an, mit welcher Symptomatik die Leute zu einem kommen. Jemand, der sagt, dass er sich nach jedem Essen nicht gut fühlt, da frage ich mich oft "warum ist das so?" und man kann ja nicht sein Leben lang chemische Präparate nehmen, sondern man muss dann ja auch etwas im Leben und in der Ernährung verändern, um die Beschwerden nachhaltig loszuwerden. 

Da kann man ganz gut mit der Pflanzenheilkunde arbeiten und auch die Ernährung umzustellen, um wirklich die Ursache zu bekämpfen und ganzheitliche Gesundheit zu erlangen. Individuelle Beratung ist dann wichtig und natürlich ist es auch richtig, dass chemische Präparate einfach akut und schnell helfen, aber auf lange Sicht sollte schon eine schonende Veränderung passieren.

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Was ich häufig beobachte ist die Behandlung bei Kindern. Gerade wenn sie unter Bauchschmerzen leiden, reichen oft schon natürliche Kümmelzäpfchen aus – da muss man gar nicht mit Chemie ran. 

Oder wenn sie total verschnupft sind, muss ich da wirklich Nasentropfen geben oder reichen natürliche Tropfen mit ätherischen Ölen aus, die ich auf den Strampler oder aufs Kissen tue? Auch das kann eine schonende Behandlungsform sein. Und wenn dann gar nichts mehr geht, kann man ja noch schauen, ob man etwas Stärkeres nimmt.

Felix: Ich sehe vor allem pflanzliche Stoffe weit vorne bei der Prävention. Hier kann ich generell mein Wohlbefinden steigern, meine Verdauung genau im Blick haben, sodass ich gar nicht erst Probleme wie Sodbrennen bekomme. Wenn ich mich so im Alltag wohlfühle und mein Immunsystem funktioniert, komme ich ja gar nicht erst in die Bredouille, dass ich auf chemische Medikamente zurückgreifen muss. 

Wenn ich also auf ganzheitliche Gesundheit achte und schaue, dass mein Körper im Einklang ist, dann kann ich das Immunsystem stärken. Naturheilkunde können wir also als ersten Step vor der Schulmedizin sehen, die uns einfach auf einem guten Level halten möchte. Und das haben wir im Laufe der Zeit verloren, dass wir einfach darauf achten, dass wir nicht krank werden.

Felix: Eine gute Ernährung kann da ja wunderbar ansetzen und mit pflanzlichen Stoffen kann ich mich ja so top fit halten, dass mir bestimmte Dinge dann auch nicht schaden. Warum also mit chemischen Substanzen in den Körper eingreifen, wenn bestimmte Lebensstil-Änderungen die ganzheitliche Gesundheit schon bestens unterstützen? Wer z.B. ein paar Tage ein Abführmittel nehmen muss, der ist im Teufelskreis ja schon gefangen.

Jenny: Genau, wenn man einmal in diesem chemischen "Teufelskreis" gefangen bist, dann kommst Du da auch gar nicht so leicht wieder raus, weil man ja ständig die Nebenwirkungen ausgleichen muss. Am besten präventiv arbeiten und darauf achten, dass die ganzheitliche Gesundheit wirklich gefördert wird. So können chemische Präparate vermieden werden und die Kräfte der Natur wieder entdeckt werden.

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